Leerheit und Form der

vier edlen Wahrheiten und des achtfachen Pfades

von Ngakma Nor’dzin Pamo

Es gibt in der Präsentation des Buddhismus eine Dimension, die sowohl inspirierend als auch faszinierend ist, die aber auch nach jahrelangem Studium oft unsichtbar bleibt. Wie häufig haben wir unsere Lamas spezifische Themen darstellen gehört, und wie oft haben sich diese Themen auf rätselhafte Art zu Erklärungen über andere Facetten des Buddhismus hin entwickelt. Der ganze buddhistische Pfad als Makrokosmos kann durch jeden Mikrokosmos von Belehrungen, die er enthält, ausgedrückt und verstanden werden.

Die Erfahrung einer Belehrung auf diese Weise heisst sich unmittelbar des spontanen Wort-Ballets von dem, was gelehrt wird, bewusst werden, als ob es eine kunstvolle Musikkomposition wäre.[1] Es war eine bestürzende Offenbarung für mich, als alles an seinen Platz fiel, und eine, von der ich realisierte, dass sie essentiell war, um als Lehrerin in Ausbildung für andere eine wirkliche Hilfe sein zu können. Um die Rolle eines Lehrers zu erfüllen, muss man fähig sein zu zeigen, wie jede Methode oder Praxis die Essenz des ganzen buddhistischen Pfades wiederspiegelt. Wenn z.B. Ngak’chang Rinpoche und Khandro Déchen Belehrungen über Dorje Tsigdhun, die Vier Naljors Ngöndro aus dem Dzogchen Sem-dé, die Zuflucht oder die fünf Elemente gaben, fuhren sie häufig fort, die Quintessenz des ganzen buddhistischen Pfades durch jedes einzelne Thema auszudrücken. Wenn ich zurückschaue, realisiere ich, dass Ngak’chang Rinpoche auf diese Weise gelehrt hat, seit ich zum ersten Mal im Lam Rim Centre in Raglan, Wales seine Kurse besucht habe, und das ist fast 20 Jahre her. Aus dieser Inspiration heraus und aus den überraschenden Mustern, die für mich plötzlich sichtbar wurden, möchte ich die Vier Edlen Wahrheiten und den Achtfachen Pfad in der Art ergründen, wie sie durch andere Aspekte von Belehrungen verstanden werden können.

Obwohl die Vier Edlen Wahrheiten und der Achtfache Pfad grundlegende Sutrische Belehrungen sind, können sie in grosser Tiefe und Feinheit in Begriffen der neun Yanas entfaltet werden. Ein Beispiel dafür findet man im Ulukha-mukha Upadesha Dakini Sutra [2] des Aro g`Tér, wo diese Belehrungen aus der Perspektive von Dzogchen präsentiert werden. Obwohl ich das Thema nicht aus dieser Perspektive darstellen werde, nehme ich in diesem Essay immer wieder darauf Bezug. Der semantische Ausdruck der Belehrungen im Ulukha-mukha Sutra ist ausserordentlich subtil. So werde ich mich hauptsächlich auf das Grundprinzip des Herz- Sutra konzentrieren um diese Belehrungen zu erklären. Ngak’chang Rinpoche und Khandro Déchen haben häufig betont, dass die Essenz des Buddhismus die Aussage, die im Herz Sutra gemacht wird, ist:„Form ist Leere, und Leere ist Form“. Jedes andere Gebiet im Buddhismus ist eine Erweiterung davon und eine Methode, sich dieser Verwirklichung anzunähern. Auf dieser Basis werden wir die Vier Edlen Wahrheiten und den Achtfachen Pfad in ihrer Wesentlichkeit anschauen. Rinpoche kommentierte: In den Vier Edlen Wahrheiten und im Achtfachen Pfad ist eine unerhört machtvolle Botschaft enthalten, die im Ulukha-mukha Sutra als hinweisende Anleitung dargestellt wird. Das Reflektieren darüber führt uns weit über das quälende Gefühl des Leidens und den Weg, der über das Leiden hinausfürt, hinaus. Die Art, wie die Vier Edlen Wahrheiten gemeinhin verstanden werden, tendiert dazu, die Idee zu fördern, dass die Befreiung von Dukkha jenseits des Körpers und der physischen Welt liegt; aber das Ulukha-mukha Sutra dreht dieses Missverständnis vollständig um und deckt die weite Möglichkeit, die in jedem Aspekt der Existenz enthalten ist, auf.

In der Anwendung in unserem Leben ist der Achtfache Pfad ein Ausdruck der Vier Edlen Wahrheiten, also beginnen wir damit, die Vier Edlen Wahrheiten aus dieser Perspektive anzuschauen. Die Belehrung über die Vier Edlen Wahrheiten wurde die erste Umdrehung des Dharma-Rades genannt. Das war die erste Belehrung, die Buddha Shakyamuni gab, nachdem er den nicht-dualen Zustand vollständig verwirklicht hatte. Er sass für sieben Wochen unter dem Bodhi Baum und ging zum Hirschpark, wo er den fünf Weisen das Dammacakkapavattana Sutra verkündete. Die Vier Edlen Wahrheiten sind: Die Wahrheit über das Unbefriedigtsein; die Wahrheit über die Ursache des Unbefriedigtseins; die Wahrheit über die Beendigung des Unbefriedigtseins, und die Wahrheit über den Pfad, der zur Beendigung des Unbefriedigtseins führt.

Die Erste Edle Wahrheit

Die Wahrheit der Erfahrung des Unbefriedigtseins drückt das umfassende Gefühl der Unzufriedenheit innerhalb der dualistischen Erfahrung aus, der Unzufriedenheit des unaufhörlich kreisenden Musters von Wahrnehmung und Antwort, in der kein dauerhaftes Glück gefunden werden kann. Ngak’chang Rinpoche sagt über die Erste Edle Wahrheit:
Es ist ernsthaft angemessen die Erste Edle Wahrheit nicht als Aussage, die den Körper und die Welt verunglimpft, zu interpretieren. Die Erste Edle Wahrheit sagt nicht aus, dass der Körper oder die Welt an sich unbefriedigend sind, dass aber unsere Erfahrung davon auf diese Weise charakterisiert ist. Das wird offensichtlich im Vimalakirti Sutra, in dem Shakyamuni Buddha als Antwort auf eine Frage über die Unvollkommenheit des menschlichen Lebens und seine Bedingungen, sagt, dass er kein unbefriedigendes Leben oder solche Bedingungen sehe. Sie sind illusionär. Die Welt ist perfekt, so wie sie ist.

Wir alle beissen uns wie wild in den Schwanz, im Versuch glücklich zu sein. Wir alle wollen frei sein von der Erfahrung von Verlust, Schmerz, Kummer und Angst, um ausschliesslich Vergnügen und Glück zu erfahren. Das ist etwas Universales, aber die Frage geht weit tiefer als die gemeinhin erfahrenen Freuden und Schmerzen der körperlichen Existenz. Um die subtile Natur des Unbefriedigtseins wirklich zu erfahren muss man einen gewissen Erfolg in Bezug auf das Alltagsleben innerhalb der konventionellen Massstäbe des Dualismus erreicht haben. Das Verständnis des Unbefriedigtseins ist nicht die Verzweiflung eines hilflosen Versagens; es ist das Gefühl des Verdachtes, das bei jemandem aufkommt, der sich selbst als tauglich, kompetent und fähig innerhalb der Grenzen der Möglichkeiten von Samsara, dem sozialen Kontext des Dualismus, erwiesen hat. Das nagende Gefühl taucht auf, dass das ganze Ding verschwommen hohl ist und dass nichts so ist, wie es zu sein scheint. Wir haben für die guten Dinge, die wir haben, gearbeitet und leben in einem venünftigen Mass von Komfort, und trotzdem nehmen wir ein Gefühl von Unbefriedigtsein in unserem Leben wahr. Wir finden heraus, dass wir fast alles, was wir erreichen wollen im Rahmen davon, was die Welt uns anbietet, erreichen können; trotzdem kommen wir zu dem Punkt, an dem wir realisieren, dass diese Errungenschaften im besten Fall ein Zeitvertreib sind. Khandro Déchen hat darauf hingewiesen, dass das Leben von Shakyamuni Buddha aus verschiedenen Perspektiven verstanden werden kann, je nach Art von Belehrungen.

Sie sagt:
Gemäss dem Ulukha-mukha Sutra wird der Schwerpunkt auf Shakyamuni Buddha`s Entdeckung der Hohlheit des Erfolges gelegt. Als Prinz, als Sohn des Königs musste er in allen Gebieten der Beste sein. Er musste der beste Bogenschütze, Ringer, Poet, Artist und Musiker sein. Er musste bei allem hervorstechen, weil der Zweitbeste zu sein oder zu versagen seine Position als zukünftiger König untergraben hätte. Aus dieser Perspektive war es sein Erfolg, dass er alle Errungenschaften als suspekt anzuschauen begann. Alles, was ihm übrig blieb war, herauszufinden, was sowohl jenseits als auch innerhalb dieser Hohlheit lag. Sein Pfad gründete mehr auf dem Unbefriedigenden des Erfolgs als Referenzpunkt als auf der Kürze von Erfolg in Bezug auf Krankheit, hohem Alter und Tod.Es ist nicht so, dass Krankheit, hohes Alter und Tod nicht Themen sind, die einen dazu bringen können, seine Aufmerksamkeit auf das spirituelle Erkunden zu lenken; es ist vielmehr so, dass es da einen subtileren Grad von Unbefriedigtsein gibt, der wahrgenommen werden muss. Diese Perspektive, die durch die Bezugnahme auf Erfolg hin durchsieht heisst, dass selbst, wenn wir unsterblich wären, uns die zyklische Natur aufeinanderfolgender Erfolge mit einem Gefühl von Unbefriedigtsein zurücklassen würden. Aufgrund dieser Interpretation der Belehrungen können Krankheit, hohes Alter und Tod nicht wirklich als unbefriedigend beschrieben werden, sie sind einfach das Spiel von Nirmankaya.

Die Erste Edle Wahrheit ist somit die Gewahrsamkeit der Universialität des Gefühls von Unbefriedigtsein und die Art, in der es schlussendlich jede Errungenschaft untergräbt. Das Sanskrit Wort „Dukkha“ wird meist als „Leiden“ übersetzt. „Du“ heisst wertlos und „Kha“ heisst hohl. „Dukkha“ umfasst also weit mehr als das Unglück, dass das Leben nicht gut läuft, die Erfahrung von Schmerz und persönlicher Katastrophe. Es weist auf die illusionäre Natur von Dukkha selbst hin. In gewisser Hinsicht erschaffen wir das Unbefriedigtsein, es ist nicht von sich aus existent.

Buddha Shakyamuni sagte, dass dort, wo es den Dualismus gibt, Veränderung als Dukkha wahrgenommen wird. Wir mögen es nicht, wenn die guten Dinge in unserem Leben verschwinden, aber alles verändert sich. Immer. Die ersichtliche Existenz aller Phänomene entgleitet uns vor allem, wenn wir versuchen, uns an die Beständigkeit zu klammern. Es ist notwendig, dass wir innerhalb des sozialen Kontext von Dualismus (Samsara) einen gewissen Erfolg gehabt haben um das wirklich verstehen zu können. Wenn unser ganzes Leben nur aus Entbehrung, Aggression, Einsamkeit, Aengsten und schmerzvoller Verwirrung bestände, wäre es einfach, Pech, Missbrauch oder soziale Ungerechtigkeit als Ursache unseres Unglücklichseins zu sehen.Um Dukkha wahrzunehmen müssen wir also ein gewisses Mass an Erfolg und Vergnügen in unserem Leben haben und trotzdem unbefriedigt sein. Nur dann können wir beginnen, die illusionäre oder Leere -Qualität der Erfahrung von Vergnügen wie auch die greifbare oder Form- Qualität der Erfahrung von Schmerz zu erfahren. Shakyamuni Buddha hat darauf hingewiesen, dass jede Wahrheit uns die folgende Wahrheit nahelegt, wenn wir sie wirklich verstanden haben. So ist es wertvoll, in unserem täglichen Leben soviel als möglich über die Erste Edle Wahrheit zu reflektieren um die Zweite als natürlichen Fortschritt zu erfahren.

Die Zweite Edle Wahrheit

Die Wahrheit der Ursache der Erfahrung von Unbefriedigtsein wird uns durch die Erfahrung von Form und Leere des Unbefriedigtseins nahegelegt. Wir erkennen, dass es sowohl etwas mit der Art, wie wir die Phänomene sehen, als auch wie wir sie erfahren, zu tun hat , die das Unbefriedigtsein erzeugt. In den Sutrischen Texten werden die Ursachen der Erfahrung von Unbefriedigtsein als Karma und Klésa bezeichnet. Karma wird als Ursache und Wirkung beschrieben, was heisst, dass wir durch verzerrte Wahrnehmung unangemessen reagieren und das zyklische Muster unserer neurotischen Konditionierung erschaffen. Ngak’chang Rinpoche sagt über Karma: Es ist entscheidend, Ursache und Wirkung nicht mit einer Art von Mechanismus, die im Stoff der Realität enthalten ist, zu verwechseln. Die Wurzel von Karma ist der dualistische Geist. Wenn der dualistische Geist nicht da ist, ist auch kein Karma da. Wenn Karma als unabhängig vom Individuum, das Karma erfährt, gesehen wird, dann haben wir eine Form von Fatalismus, die mehr gemeinsam hat mit dem Eternalismus des populären Hinduismus. Das Ulukha-mukha Sutra diskutiert Karma mehr im Begriff von Wahrnehmung und Antwort als im Begriff von Ursache und Wirkung aber die wesentliche Bedeutung ist dieselbe. Wenn unsere Wahrnehmung als Ursache ein Ziel von Anziehung, Abneigung oder Gleichgültigkeit wahrnimmt, wird der Effekt die Antwort auf diese Ursache sein. Es gibt keinen Sinn in dem die aktuellen Umstände unseres Lebens vorgeprägt sind gemäss einem System von Belohnung und Bestrafung für unsere früheren Taten. Das ist ein primitives Missverständis, eines, das Erleuchtung von Karma abhängig machen würde.

Klésa sind die verzerrten Wahrnehmungen von Anziehung, Abneigung und Gleichgültigkeit, die das zyklische Muster unserer Neurosen aufrechterhalten, die verzerrte Erfahrung unserer fünffältigen elementhaften Natur. Wir halten uns an der Idee fest, dass wir feste, beständige, getrennte, fortdauernde und definierte Wesen sind, und dass Substanzlosigkeit,Unbeständigkeit, Ungetrenntheit, Diskontinuität und der Mangel an Definition unsere Existenz verleugnen, das heisst, jedes Mal, wenn wir Substanzlosigkeit, Unbeständigkeit, Ungetrenntheit, Diskontinuität und Mangel an Definition wahrnehemen, erfahren wir Dukkha. Wir erfahren Dukkha, weil wir versuchen, Form und Leere zu trennen. Aber wenn wir einmal die Idee, dass wir unser eigenes Unbefriedigtsein durch dualistisches Vorurteil kreieren, gestreift haben, liegt die Möglichkeit, dass wir unserer Sicht erlauben, sich zu verändern, nahe. Wir können die Form des Unbefriedigtseins loslassen.

Die Dritte Edle Wahrheit

Das Beendigen der Erfahrung von Unbefriedigtsein ist die Wahrheit, dass, wenn es eine Ursache für Dukkha gibt, es einen Weg geben muss, durch den wir die Erschaffung der Ursache von Dukkha stoppen können. Wir können die Ursache an ihrer Wurzel abschneiden. Wir erschaffen Samsara auf aktive Weise, indem wir fortdauernd unsere Existenz gemäss Form – Ideen, wie die Dinge sein sollten, definieren. Wir weigern uns, Ebbe und Flut unserer Existenz so zu lassen, wie sie sind. Aber wir können aufhören Samsara zu „machen“ und es einer Sicht, in der Form und Leere einander definieren, erlauben, zu entstehen. Das verändert unsere Wahrnehmung von Freude vollständig wie Khandro Déchen ausführt:
Innerhalb der nicht-dualen Perspektive von Dzogchen wird Genuss nicht mehr als problematisch angesehen, einfach weil er von vorübergehender Natur ist. Seine vorübergehende Natur ist einfach seine leere Qualität. Wir müssen der Wertschätzung von Genuss nicht entsagen, weil er sich als Leere und Form manifestiert.

Wir können dann entdecken, dass unser gewöhnliches Leben Lichtblicke realen Glücks bietet, weil Leere -Erfahrungen natürlicherweise stattfinden. Es gibt Zeiten, in denen wir im Moment leben, oder Zeiten der Erschöpfung, in denen wir loslassen und die Anstrengung, Samsara zu erschaffen für eine Weile aufgeben. Die Möglichkeit dieser Sichtweise zu verstehen und die Erfahrung inspirieren das Vertrauen, dass es einen Zustand gibt, der erreicht werden kann, wo wir fähig sind zu exisitieren ohne die verzerrte Wahrnehmung des Dualismus. Villeicht haben wir das Glück Lamas zu treffen, die ihr Leben ungeachtet der Umstände als zufriedenstellend erleben; und die uns auf die Tatsache hinleiten, dass unsere Erleuchtung durch das Gewebe unserer selbst erschaffenen Konditionierung hindurchblitzt.

Wir sind alle beginnungslos erleuchtet und deshalb weist uns unser nicht-dualer Zustand durch die Erfahrung von Dukkha auf sich selbst hin. Indem wir verstehen, dass das Unbefriedigtsein etwas ist, das wir erschaffen, können wir dieses Erschaffen untergraben und dem Hindurchschimmern unserer Erleuchtung erlauben, das Wissen, dass es Methoden geben muss, die diese Öffnen andauernd erleichtern, zu erhellen.

Die Vierte Edle Wahrheit

Der Pfad der Beendigung der Erfahrung von Unbefriedigtsein ist der Achtfache Pfad. Es ist wichtig die Worte, die hier verwendet werden, zu bemerken. Wir sprechen nicht über ein Medikament oder eine Kur, es ist ein Pfad. Das Wort „Pfad“ lässt vermuten, dass jemand, der diesen Weg schon vor uns gegangen ist, etwas gegründet oder niedergelegt hat. Ein Pfad ist etwas, das ausgetrampelt und getestet wurde. Er ist absichtlich so ausgelegt, dass er uns von dort, wo wir denken, dass wir sind, nach dort, wo wir wirklich sind, bringt. Es ist der Pfad des Mittleren Weges: Frei von bezugnehmenden Extremen; frei von den vier philosophoschen Extremen [3] und frei von der Sucht nach Selbstrechtfertigung oder Selbstverleugnung. Der Pfad wird als acht Stadien gelehrt, aber die Gesamtheit buddhistischer Methoden kannn von dieser einfachen Struktur extrapoliert werden. Die Frucht oder die Bestimmung des Pfades ist die Erfahrung der Nicht-Dualität.

Der Achtfache Pfad

Der Achtfache Pfad besteht aus:

  1. Richtiger Sichtweise oder Verständnis;
  2. Richtiger Absicht oder Motivation;
  3. Richtiger Rede oder Kommunikation;
  4. Richtigem Handeln oder Benehmen;
  5. Richtiger Berufung oder richtigem Auskommen;
  6. Richtiger Bemühung;
  7. Richtiger Aufmerksamkeit oder Achtsamkeit;
  8. Richtiger Präsenz oder Konzentration.

Das Wort „richtig“ in der Sutrischen Darstellung der Belehrungen wird oft im Sinne von „am besten“ oder „am korektesten“ verstanden. [4] Aber „richtig“ kann auch als „aus vollem Herzen“ oder „angemessen“ übersetzt werden, es bedeutet eine total verbindliche Beteiligung aus vollem Herzen. Es gibt nichts Halbherziges oder Zauderndes in Bezug auf richtig, Du stehst an der Kante und Du springst. Du bist vollständig da.

Der Schlüssel zum Pfad ist die Pflege der richtigen Sichtweise. Am Anfang wird es nur das intellektuelle Verständnis davon sein, dass die Ursachen von Dukkha überwunden werden können. Während wir auf dem Pfad reisen, wird unsere Sichtweise zunehmend subtiler und vertiefter werden. Wir sehen, dass wir unsere Fixation, jeden Fokus der Wahrnehmung in Bezug auf Anziehnung, Abneigung und Gleichgültigkeit zu beurteilen, untergraben können. Wir haben ein intellektuelles Verständnis davon, dass wir nicht feste, beständige, getrennte, kontinuierliche und definierte Wesen sind; und dadurch versuchen wir unsere gewohnten Reaktionsmuster durchzuschneiden. Wir entwickeln einen Grad von Offenheit in unserer Sichtweise und unserer Haltung andern und den Besonderheiten unserer Umgebung gegenüber. Wir werden weniger fixiert und sicher in unseren Meinungen darüber, wie die Dinge erscheinen und beginnen, unsere Art zu funktionieren ein bisschen näher anzuschauen.

Aus der Sichtweise entsteht Absicht. Ngak’chang Rinpoche`s aufs wesentliche reduzierter Kommentar dazu ist: Aus dem leeren Raum des Verstehens, in dem Gewahrsamkeit und Sichtweise untrennbar sind, bewegt sich der Geist in Richtung Form und die Sichtweise taucht als Absicht auf. Um das auf einer weltlichen Ebene auszudrücken, könnte ich sagen: „Die Idee (Sicht), dass ich ein Eis möchte, taucht auf, also stehe ich (die Motivierte) auf und kaufe mir ein Eis. Durch unser intellektuelles Verstehen der Ursachen unseres Unbefriedigtseins pflegen wir die Absicht und den Wunsch uns zu erinnern, dass wir nicht fest, beständig, getrennt, kontinuierlich und definiert, sondern vielmehr die Ebbe und Flut von Existenz und Nicht-Existenz sind. Wir versuchen gewahr zu werden, wenn wir in Selbstsüchtigkeit, Verwirrung und Dumpfheit hineingleiten. Wir versuchen gewahr zu werden, wenn wir der Halsstarrigkeit, der Aggression, Obsession, Paranoia und Depression frönen. Wir versuchen der Absicht, die Sicht zu leben, treu zu bleiben im Hinblick darauf, das Erzeugen von Ursachen der Erfahrung von Unbefriedigtsein zu beenden.

Von dieser Basis ausgehend beginnt unsere Kommunikation mit der äusseren Welt unsere Absicht zu wiederspiegeln. Wir vermeiden es, rigide Vorurteile und Erwartungen zu kommunizieren. Wir versuchen unsere Kommunikation offen und fliessend ohne Urteile und Erwartungen aufrechtzuerhalten. Wir versuchen direkt zu sein und enthalten uns davon, verschlagen oder manipulierend in unserem Umgang mit der Welt zu sein. Unser Versuch, die richtige Sichtweise und die richtige Absicht aufrechtzuerhalten, wird von unserer Kommunikation auf allen Ebenen wiederspiegelt. Es beginnt als Äusserlichkeit und wird zunehmend subtiler.

Unsere Interaktion mit der Welt auf der Ebene von Verhalten oder Handeln wiederspiegelt unseren Versuch die richtige Sicht, die richtige Absicht und die richtige Kommunikation aufrechtzuerhalten. Wir sind direkt und offen in all unseren Aktivitäten. Wir versuchen nicht, Leute oder die Erfahrungen mit ihnen zu manipulieren. Wir respektieren andere als Wesen, die die Kapazität zur Befreiung haben, und wir übernehmen Verantwortung für uns selbst. Wir erlauben uns nicht, faul oder schlampig zu sein, sodass wir anderen mehr Arbeit bereiten, gleichzeitig aber respektieren wir unsere eigenen Bedürfnisse nach Entspannung und Ruhe. Richtige Sichtweise und Absicht durchdringen unser Verhalten, sodass wir als Praktizierende angemessen handeln. Wir sind bescheiden, aber wir lassen es nicht zu, missbraucht zu werden. Wir vergnügen uns, aber nicht auf Kosten anderer Leute. Wir leben aus dem Vollen aber nicht zum Schaden unserer mehr formalen Praxis. Letztendlich leben wir nach den fünf Gelübden. Das ist richtiges Verhalten.

Richtiges Auskommen oder Berufung ist die Ausdehnung der richtigen Kummunikation und des richtigen Verhaltens, das unsere ganze Umgebung miteinschliesst. Unser Lebensstil wiederspiegelt die richtige Sicht und unser Gefühl für Respekt und Verantwortung dehnt sich in unsere Umgebung aus. Wir erkennen und umarmen unsere Verbundenheit mit allen Wesen und Dingen. Wir verstehen, dass es für einen Praktizierenden nicht angemessen ist, dreist auf Kosten anderere zu leben, aber wir anerkennen auch, dass es unmöglich ist, unsere Leben zu leben ohne andere Wesen unabsichtlich zu schädigen. Wir vermeiden es, eine Haltung oder eine künstliche spirituelle Persönlichkeit anzunehmen, indem wir mit dem Versuch, unsere Sicht und Absicht offen und fliessend aufrecht zu erhalten, fortfahren.

Khandro Déchen sagt über richtige Berufung: Wenn wir von richtiger Berufung sprechen, müssen wir von der Idee der politischen Korrektheit wegkommen. Wir gehen mit Spiritualität nicht auf der Ebene der grünen Politik um, indem wir Tampons recyceln und auf Wegwerfwindeln verzichten. Richtige Berufung hat mehr mit wirklich in der Welt sein zu tun.Das ist keine Sache des Utopismus; vielmehr eine Angelegenheit essentieller Freundlichkeit, eine Art Fürsorge, die ein weites Bild umfasst.- es ist weder eine Angelegenheit von nicht Auto fahren wegen der Umweltverschmutzung, noch blind zu sein gegenüber der Umweltverschmutzung. Es ist die Erkenntnis, dass der Versuch, eine puristischen Haltung einzunehmen, grundsätzlich leer von Mitgefühl ist.Anstelle davon ist es eine Angelegenheit vom Wachsen des Gefühls für die Verbindung mit allem; mit denen, deren Auskommen von der Autoindustrie abhängt sowie mit denen, die darunter leiden. Richtige Berufung ist die Akzeptanz des völligen und leidenschaftlichen Blossgestelltwerdens durch die Situation und nicht nach einem Ausweg zu suchen, der es uns ermöglicht, sauber zu bleiben, während andere schmutzig werden. Richtige Berufung ist fähig sein zu tun, was zu tun ist oder im Versuch dazu zu sterben. Es bedeutet allen Trost gehen zu lassen, sogar den dubiosen Trost eines spirituellen spartanischen Regimes.

Richtige Sicht, richtige Absicht, richtige Kommunikation, richtiges Verhalten und richtige Berufung in unserem Alltag aufrechtzuerhalten bedarf der Anstrengung, der Anwendung und des Enthusiasmus. Wir versuchen in unseren Aktivitäten total zu sein, engagieren uns und nehmen aus vollem Herzen teil. Wir nähern uns den schwierigen Aufgaben nicht mit einer halbherzigen, gerade gut genugen Haltung. Wir werfen uns vollständig in das, was wir tun, hinein und machen es innerhalb unserer Fähigkeiten bestmöglichst, ob es sich um unsere Meditationspraxis oder eine weltliche Aufgabe wie Wäsche waschen handelt. Wir versuchen, richtige Sicht und Absicht aufrechtzuerhalten.

Shakyamuni Buddha hat gelehrt, dass es vier grosse Anstrengungen gibt: die Anstrengung sich zu entwickeln, die Anstrengung zu vermeiden, die Anstrengung aufrechzuerhalten und die Anstrengung zu überwinden. In Bezug auf die vier Anstrengungen entwickeln wir die Tiefe und den Fokus unseres Verstehens und die Erfahrung der Sicht und Absicht. Wir vermeiden nicht hilfreiche Gewohnheiten und neurotische Muster oder lassen sie los. Wir halten unsere Praxis aufrecht und versuchen, nicht in alte Muster zurückzufallen. Wir arbeiten aktiv daran, unsere Neurosen zu überwinden. Ist unsere Anstrengung realisierte Manifestation geworden, werden diese vier Anstrengungen zu den vier Buddha-Karmas des Bereicherns, Besänftigens, Magnetisierens und Zerstörens. Khandro Déchen sagt, dass jedes der neun Yanas in Begriffen eines jeden der neun Yanas ausgedrückt werden kann und dass die Sicht der vier grossen Anstrengungen als Buddha-Karmas die Perspektive der Mahayoga Tantras ist.

Aufrichtige Anstrengung in der Praxis der richtigen Sicht, richtigen Absicht, richtigen Kommunikation, des richtigen Verhaltens und der richtigen Berufung kreiert ein Gefühl von Raumhaftigkeit. Mit dieser mehr raumhaften Erfahrung wird unsere Aufmerksamkeit nackt und direkt. Wir beginnen es einfacher zu finden, unsere Aufmerksamkeit in allen Situationen und Erfahrungen aufrechtzuerhalten. Allmählich finden wir es erleichternd, unsere Aufmerksamkeit in den gegenwärtigen Moment zurück zu bringen und dort zu verweilen. Es ist nicht möglich, dem gegenwärtigen Moment gegenüber achtsam zu sein, wenn wir andauernd tagträumen oder dumpf sind. Richtige Anstrengung, richtige Sicht und richtige Absicht helfen uns, unseren Geist wach und fokussiert zu halten.

Die Sutras lehren uns, dass es vier Stationen der Achtsamkeit gibt: Körper, Empfindung, Geist und Geistesobjekte. Wir sind unserer Gewahrsamkeit auf der Ebene des Körpers, der Energie und des Geistes gegenüber immer aufmerksam, um uns zu versichern, dass wir damit fortfahren die Ursachen von Samsara zu durchschneiden und die Gründe für Nirvana zu kreieren. Aber schlussendlich ist es möglich über das alles hinauszugehen. Wie Ngak’chang Rinpoche in einer Belehrung über das Ulukha-mukha Sutra gesagt hat: Wenn wir die Präsenz der Gewahrsamkeit in der Dimension der Sphären von Körper,Energie und Geist finden, gibt es keine Notwendigkeit die Ursachen von Samsara zu durchzuschneiden oder die Gründe für Nirvana zu erschaffen. Die Präsenz der Gewahrsamkeit in ihr selbst zu finden, ist die Ursachenlosigkeit in der Samsara und Nirvana nicht-dual sind.

Das letzte Stadium des Pfades ist richtige Präsenz oder richtige Konzentration. Einmal erreicht, ist das die Frucht des Pfades. Schlussendlich ist das Finden der Präsenz der Gewahrsamkeit in der Dimension des Momentes die Erfahrung von Rigpa, die nicht-duale Erfahrung von Leere und Form. Innerhalb dieser Erfahrung werden die Manifestationen zu Ornamenten von Rigpa und werden als vollständig angemessen, natürlich, spontan und frei erfahren. Karma als Ursache von Dukkha existiert nicht mehr länger.Spontan erleuchtete Wahrnehmung manifestiert sich als gleichzeitig spontan erleuchtete Antwort. Wir sind befreit von unseren neurotisch festgelegten Antworten von Anziehung, Abneigung und Indifferenz, und unsere Antworten manifestieren sich als Ornamente von Rigpa. Wir werden nicht mehr länger hin und her geschaukelt auf den stürmischen Wassern von Hoffnung und Angst, Erwartungen und vorgefassten Konzepten. Die Vollendung des Pfades führt uns von einem intellekutellen Verständnis der richtigen Sicht zur direkten intuitiven Erfahrung und zur Erreichung des Aufhörens von Dukkha.

Annäherungen an den Achtfachen Pfad

Der Achtfache Pfad kann auf viele verschiedene Arten betrachtet werden. Es ist üblich ihn in einer linearen Art [5] zu präsentieren, in der wir die Sicht des Wunsches nach dem Beendigen der Ursache der Erfahrung von Dukkha für uns und andere entwickeln. In der Nyingma Schule des Tibetischen Buddhismus gibt es neun Fahrzeuge [6]. Ein Fahrzeug ist ein Lehr- und Praxiskörper, der uns von der Basis zur Frucht bringt. Diese Neun Fahrzeuge sind das Sravaka Yana (Hörer), das Pratekabuddha Yana (einzelne Verwirklicher) und das Boddhisattva Yana (diejenigen, die geloben für die Realisation aller durch Entwicklung von aktivem Mitgefühl zu arbeiten); zusätzlich die sechs Tantra Fahrzeuge, geteilt in Äusseres und Inneres Tantra.[7] Die Erfahrung dieser Fahrzeuge nimmt direkt Bezug zum persönlichen Prozess der wachsenden spirituellen Gewahrsamkeit vom frühesten Stadium des Interesses, aber dies wird oft überschattet durch das Gefühl, wo sie als getrennte, codifizierte religiöse Zugänge angeschaut werden.

Lasst mich ein Beispiel für diesen Prozess in Bezug auf meine eigene Erfahrung geben. Als ich begann, mich für Buddhismus zu interessieren, las ich sehr viel. Ich war fasziniert von den Ideen und Methoden die ich studierte, aber das war alles, was ich für mehere Jahre tat. Ich hörte die Worte, aber ich identifizierte ihre Bedeutsamkeit nicht in Bezug auf irgendetwas, was ich hörte und studierte. Das war Sravaka Yana. Dann veranlasste mich etwas, die Methoden direkt auszuprobieren und Belehrungen von einem Lama zu erhalten. In diesem Stadium wurde ich durch die Erste Edle Wahrheit berührt und begann zu glauben, dass das Leiden, das ich erfuhr, eine Ursache hatte und dass das Leiden aufhören könnte. Ich hatte das Vertrauen entwickelt, dass der Buddhismus Methoden bereit hielt, durch die ich den Pfad des Glücks bereisen konnte. Es war meine Erfahrung von Schmerz und Leiden, die mein Handeln dirigierte. Ich wollte meinem Schmerz und Leiden ein Ende setzen, und so begann ich, den Pfad des einzelnen Realisierenden, ich begann für mein eigenes Wohl zu praktizieren. Aber, sobald ich mit einem grösseren Mass an Verpflichtung zu praktizieren begann, begann ich den Nutzen in meinem Leben und die Veränderungen in meinem Geist zu sehen. In dem ich mir dessen bewusst war, wurde ich gewahr, dass es viele Leute und viele andere Wesen um uns herum gibt, die ebenfalls die Erfahrung ihres Lebens weniger als befriedigend empfinden. An diesem Punkt realisierte ich, dass ich mich nicht von anderen abkoppeln konnte, und, dass ich nicht wirklich glücklich sein konnte, wenn andere um mich herum so offensichtlich unglücklich waren. Auf diese Weise begann ich mich natürlicherweise in die Richtung der Erfahrung von Boddhicitta zu bewegen. Diese Entwicklung in meiner Sicht veranlasste mich zu wünschen, mein Leben in der Weise zu leben, dass es möglichst wenig Schaden für andere anrichtete und, hoffentlich, ihnen in gewisser Weise zu nützen.

Ngak’chang Rinpoche und Khandro Déchen erklären, dass die sechs Ebenen des Tantra auch in Bezug daruf, wie sie die menschliche Entwicklung von Kindheit bis zum Erwachsensein wiederspiegeln, gesehen werden können. Dharma ist ein natürliches System. Es wurde nicht fabriziert und deshalb reflektiert es jede Nuance der menschlichen Erfahrung. Obwohl Tantra eine fortgeschrittene Sicht, Methode und ein fortgeschrittenes Verhalten ist, können wir Analogien zur Entwicklungspsychologie schliessen und auch zur Erfahrung der Annäherung an den spirituellen Pfad. Alles innerhalb von Dharma spricht von allem anderen und wenn Dharma verstanden wird, beginnt alles andere über Dharma zu sprechen.

Der Achtfache Pfad kann als eine Weise, Boddhicitta und Achtsamkeit zu entwickeln, um andere nicht zu verletzen,angesehen werden. Unsere Motivation ist es, von schädigendem Verhalten Abstand zu nehmen und denen um uns herum zu helfen. Die anderen Stadien des Pfades sind mit dieser Motivation verknüpft. Die erste Edle Wahrheit ist die Basis des Sutrischen Pfades und der Achtfache Pfad kann als Pfad der Entsagung angesehen werden, der zur Realisation der Leere führt. In der Sutrischen Sicht ist der Achtfache Pfad in drei Aspekte der Entwicklung aufgeteilt: Weisheit, Tugend und Konzentration. Richtige Sicht und richtige Absicht sind mit der Entwicklung von Weisheit vebunden. Richtige Rede, richitges Handeln und richtiges Auskommen sind mit der Entwicklung von Tugend verbunden. Richtige Anstrengung, Achtsamkeit und Präsenz sind mit der Entwicklung von Konzentration verbunden. Auf diese Weise repräsentiert der Achtfache Pfad den ganzen Sutrischen Pfad.

Ngak’chang Rinpoche und Khandro Déchen kommmentieren: Die Art, wie der Achtfache Pfad das vollständige Spektrum der Sutrischen Belehrungen einschliessen, kommt im Ulukha-mukha Upadesha Dakini Sutra mit entzückender Anmut zur Geltung. Dort finden wir, dass der Achtfache Pfad auch Tantra und Dzogchen beschreibt. Die Eulenköpfige Dakini dieser Belehrungen bewacht das Wissen, dass Dharma sebstdefiniert ist insofern, als dass jeder Ausdruck jeden anderen Ausdruck erklärt und interpretiert sie in der Weise, dass sich die neun Yanas in Ekayana, dem alleinigen Fahrzeug des Dzogchen, auflösen.

Entsagung [8] ensteht aus dem Verstehen der Warheit von Dukkha, seinen Ursachen und der Möglichkeit der Beendigung der Ursachen. Daraus entspringt die Motivation, allen Wesen zu helfen. Dann wird der Pfad der Tugend mit richtiger Kommunikation, richtigem Verhalten und richtiger Berufung beschritten. Schlussendlich wird die Schulung und die Konzentration des Geistes durch die richtige Anstrengung, richtige Achtsamkeit und richtige Versunkenheit entwickelt. An diesem Punkt kann die Leere, die Frucht von Sutra, realisiert werden.

Eine andere Art den Pfad anzuschauen ist eine, bei der es ein Seil gibt, das aus acht Strängen gewoben ist. Das Seil kann nicht effizient funktionieren, wenn es einen Strang verliert oder wenn einige Stränge schwächer als andere sind. Wir können verschiedene Stränge zu verschiedenen Zeiten fokussieren, sodass jeder Strang allmählich gestärkt wird, bis die einzelnen Stränge in eine ungeteilte Erfahrung verschmelzen. Es mag in unserem Leben Zeiten geben, in denen wir nur wenig Zeit für die formale Praxis haben, aber wenn wir damit fortfahren, die Sicht in unserem täglichen Leben zu leben, werden wir fortschreiten bis zu den Zeiten, in denen wir die formale Praxis wieder verstärken können. Auf diese Weise können wir einen konkreten Begriff davon bekommen, auf welche Weise jeder der Stränge des achtfachen Seiles die anderen unterstützt.

Tantra ist mehr der Pfad der Transformation als der Entsagung. Tantra arbeitet aktiv mit der Form unserer Erfahrung aus der Perspektive der Leere. Die Basis von Tantra ist Leere, das Verstehen der illusionären Natur aller Erscheinungen und der eigenen Wahrnehmung der Erscheinungen. Das wird durch die Erfahrung der Leere verstanden und durch das Realisieren der Wahrheit der leeren Natur von Dukkha und seiner Ursache. Aus diesem Realisieren heraus entsteht die Motivation, die Energie von Dukkha in die Energie der Befreiung durch den Gebrauch von nicht-dualen Symbolen zu transformieren. Wie Ngak’chang Rinpoche und Khandro Déchen beschreiben: Der Ausdruck „nicht-duales Symbol“ weist auf die Tatsache hin, dass tantrische Symbole als leere Form angesehen werden. Symbolismus im Tantra ist eine Grenzfläche zwischen einem Meister, einem realisierten Wahrnehmer der Nicht-Dualität, und seinem oder seiner Schüler/in. Die Yidams sind weder real noch nicht real. Sie sind weder nicht existent noch existent.

Der tantrische Pfad arbeitet mit Leere und Form und erforscht als solcher Paradox und Ambivalenz auf der Ebene der richtigen Rede, des richtigen Verhaltens und der richtigen Berufung, damit wir fähig sind, die Transformation unserer alltäglichen Erfahrung in das Mandala des Yidam zu praktizieren. Dann machen wir die Erfahrung der Nicht- Dualität von Leere und Form durch Anstrengung und Meditation.

Der Pfad beschreibt die Bewegung durch die drei Sphären des Seins: Leere, Energie und Form, cköku, long-ku und trül-ku. Sicht entsteht innerhalb chö-ku, dem leeren Grund unseres Seins. Absicht und Kommunikation sind die ursprünglichen Bewegungen des Geistes in die Sphäre der Energie oder der unberührbaren Erscheinung. Innerhalb der Sphäre von long-ku sind Aktion und Berufung Bewegungen in die Form hinein. Innerhalb der Sphäre von trül-ku lösen sich Anstrengung und Aufmerksamkeit zurück in die Energie und Unberührbarkeit von long-ku auf. Dann wendet sich die Präsenz zu Leere und unkonditionierter Potentialität, zu chö-ku um. Khandro Déchen beschreibt diese Bewegung als „endloses Mudra“ und, mit dem im Geist, repräsentiert die Potenz des Lotus Mudra von Form und Leere, wie es in den Ermächtigungen aufgefüht wird, eine tiefe intuitive Gelegenheit.

Der Achtfache Pfad kann auch als Kreis gesehen werden. Er kann als ein kontinuierliches Drehen der Geistes angesehen werden, in dem die Sicht durch jede Umdrehung vertieft und gestärkt wird. Der Pfad wird dann zur Spirale, so wie sich die Sicht mit jeder Umdrehung subtil verändert und sich unsere Sicht und Erfahrung öffnet.

Wenn man den Achtfachen Pfad als kreisförmig betrachtet ist es nicht verwunderlich, dass der Satz „Drehen des Rades von Dharma“ benutzt wird. Den Pfad im Kreis herum gehen kann als unterschiedliche Geschwindigkeit, in der sich die verschiedenen Zyklen manifestieren, angesehen werden. Er kann als Zyklus einer Lebenszeit angesehen werden oder als Pfad, der sich von Moment zu Moment dreht. Die unterschiedlichen Zugänge zum Pfad als Kreis werden unterschiedliche Sichtweisen der Geschwindigkeit des Kreisens bestimmen. Je mehr wir fähig sind, auf diesem Pfad herum zu gehen, die Kongruenz in jedem Stadium ermunternd, desto mehr vermehrt sich unsere Kapazität die Sicht zu leben. Dieser Pfad wird dann zu einer Basis von der das Leben der Sicht eine Realität wird, und aus der alle anderen Methoden herausfliessen.

Solange die Sicht fortfährt, sich zu vertiefen, öffnet sich die Spirale kontinuierlich. Wenn aber die Sicht eingeengt oder verzerrt wird, kann die Energie und die Konzentration, die sich durch die Praxis entwickelt haben, verursachen, dass wir in eine einengende Spirale zunehmender Neurose fallen oder uns darin hinschleppen. In diesem Stadium nähren sich unsere Neurosen kontinuierlich selbst und erschaffen eine geschlossene, einengende Spirale von Paranoia und Aggression.

Mit dieser linearen Sicht des Achtfachen Pfades kann gesehen werden, wie wichtig es ist, andauernd zur Motivation, Inspiration und zum Verständins der Sicht zurückzukehren. Wir müssen andauernd kontrollieren, dass die Lektionen der Vier Edlen Wahrheiten aufrecht erhalten werden. Das ist der Grund weshalb so viele Sadhanans mit der Zuflucht und dem Generieren von Boddhicitta beginnen und mit Hingabe enden. Es ist wichtig unseren Kontakt mit Inspiration und Offenheit andauernd zu erneuern ohne zu zwinkern oder besessen zu werden. Wir müssen uns kontinuierllich an das Unbefriedigtsein erinnern, an seine Ursachen und das Beenden von Unbefreidigtsein und an die Methode.

Es ist möglich in einem Fahrwasser festzusitzen, in der wir anscheinend die Sicht leben und den Pfad praktizieren, aber in dem wir nicht wirklich fortfahren die Spirale zu öffnen. Es ist etwa, wie wenn man in schläfrigem Shi-ne festgefahren ist aber glaubt, dass man Shi-ne stabilisiert. Das ist auch der Grund, weshalb an einem bestimmten Punkt ein Lama notwendig wird. Der Lama kann uns sachte immer wieder in eine erweiternde Sicht hinein, und aus dem Fahrwassser unseres Musters heraus stossen. Der Lama kann uns zu Fall bringen, wenn wir zu vorgefassten Konzepten und gewohnheitsmässigen Neurosen zurückkehren. Der Lama ermutigt uns andauernd, unsere Verbindung mit der Sicht in ihrer essentiellsten Art, gemäss den Dzogchen Belehrungen, zu erneuern.

Dzogchen

Aus der Perspektive des Ulukha-mukha Sutra sind alle Aspekte des Pfades unmittelbar durch das spontane Auftauchen der Sicht realisiert. In Begriffen des Dzogchen ist Sicht nicht-duale Wiedererkennung. Leere und Form sind ungeteilt in der Erfahrung von Rigpa.

Direkte Einführung zu sehen ermöglicht es dem Pfad, sich zu manifestieren.
Verweilen ohne Zweifel iist die Qualifikation dieser Manitfestation auf den Ebenen der Absicht, Kommunikation, Aktivität, des Auskommens und der Anstrengung. So werden alle Aktivitäten selbt vollendet.
Im Zustand fortfahren manifestiert sich selbst mit Aufmerksamkeit und Präsenz, Rigpa integrierend mit dem, was auch immer auftaucht. In dieser Perspektive geben wir die lineare Sicht des Noblen Achtfachen Pfades auf und erkennen, dass alle acht Aspekte des Pfades gleichzeitig vorhanden sind. Sicht umfasst unausweichlich alle anderen sieben Aspekte des Pfades. Kongruente Anstrengung ist ebenso unvermeidlich wie kongruente Aufmerksamkeit, Motivation, kongruentes Verhalten etc. Kongruente Absicht manifestiert sich gleichzeitig als kongruente Kommunikation, Aktion, Präsenz etc. Die acht Aspekte des Pfades können nicht getrennt exisitieren, sondern nur als gleichzeitiger Ausdruck des Dzogchen Pfades der Selbstbefreiung.

In seinem Buch Certainty, das sich Aspekten des Ulukha-mukha Sutras annähert, nennt Ngak’chang Rinpoche die Vier Edlen Wahrheiten die Vier Fundamentalen Gewissheiten und den Achtfachen Pfad den Pfad der Ausrichtung. Die Vier Edlen Wahrheiten sind Gewissheiten, auf die wir uns verlassen können als Quelle unserer Aspiration und als Grundlage unserer Praxis. Als fundamentale Praxen wäre es einfach, sie als rein vorbereitend zu sehen und als etwas, über das wir uns hinaus bewegen; aber sie sind eine Quelle der Inspiration und Erneuerung von Zuflucht in allen Stadien im Leben als Praktizierende. Der Achtfache Pfad versorgt uns dauernd mit Methode und Sicht. Gewahrsamkeit, Verständnis und aktives Erinnern des Pfades befähigen uns, uns selbst zu kontrollieren. Er drückt die Gesamtheit des Buddhistischen Pfades aus, ungeachtet ob unser Fokus der von Sutrisch, Tantrisch oder Dzogchen Praktizierenden ist. Er drückt die Gesamtheit des Buddhistischen Pfades aus, wenn wir uns, entsprechend wo wir uns befinden, zwischen den Fahrzeugen hin- und herbewegen. Die Vier Edlen Wahrheiten und der Achtfache Pfad sind einfache und direkte Belehrungen, die wir für uns selbst auf einer experimentellen Ebene als echt erkennen können, um sicher zu sein, dass wir auf die Realisation für alle und alles, überall, hin arbeiten.

Dieser Artikel von Ngala Nor’dzin Pamo erschien zuerst im vision magazine, Sommer 1998.

1. Diejenigen, die Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse gelesen haben, mögen fasziniert sein von der Ähnlichkeit des hier Diskutierten.
2. Auf das Ulukha-mukha Upadesha Dakini Sutra oder Herz-Essenz Himmelstänzer Sutra der Eulengesichtigen Beschützerin wird von nun an als das Ulukha-mukha Sutra Bezug genommen. In Tibetisch ist dieser Text als Ug-dong Nying-thig Khandro Do (ug gDong sNying thig mKha’ ’Gro mDo) betitelt.
3. Die vier philosophischen Extreme sind: Monismus, Dualismus, Nihilismus und Eternalismus, siehe auch Wearing the Body of Visions von Ngak’chang Rinpoche.
4. Ngak’chang Rinpoche und Khandro Déchen benutzen das Wort „kongruent“ anstelle von „richtig“ im Sinne, dass das, was beschrieben wird, kongruent mit dem realisierten Zustand ist. Diese Art, den Achtfachen Pfad zu diskutieren, stammt aus dem Ulukha-mukha Upadesha Dakini Sutra.
5. Als Sutrischer Pfad der Entsagung und der Entwicklung von Boddhicitta.
6. Im Aro g`Ter spricht man hauptsächlich von drei Fahrzeugen: Sutra, Tantra und Dzogchen. Diese Perspektive der Fahrzeuge ist eine, die in den Dzogchen Belehrungen, auf der die Aro g`Ter basiert, üblich ist.
7. Kryia Tantra, Upa oder Carya Tantra und Yoga Tantra sind die drei äusseren Tantras. Mahayoga Tantra, Anuyoga Tantra und Atiyoga sind die drei Inneren Tantras.
8. Entsagung nimmt hier Bezug auf die Entsagung von Referenzen im Sinne des Versuchs, seine Existenz als fest, beständig, getrennt, kontinuierlich und definiert zu bestätigen.

Referenzen

Notizen aus persönlichen Diskussionen, Briefen und e-mails; Transskriptionen aufgenommener Interwiews 1981-1998.
Certainty, Ngak’chang Rinpoche, Sang-ngak-chö-dzong, 1982.
Confidence, Ngak’chang Rinpoche, Sang-ngak-chö-dzong, 1983.
Kindness Mind, Ngak’chang Rinpoche, Sang-ngak-chö-dzong, 1985.
Rainbow of Liberated Energy, Ngak’chang Rinpoche, Element Books, 1986. (Deutsch: Der fünffarbige Regenbogen, Verlag Hermann Bauer, Freiburg im Breisgau, 1986).
Journey into Vastness, Ngak’chang Rinpoche, Element Books, 1988. (Deutsch: Reise in den Inneren Raum, Jungfermann Verlag, Paderborn, 1992 (vergriffen))
Wearing the Body of Visions, Ngak’chang Rinpoche, Aro Books, 1995.
Spectrum of Ecstasy, Ngak’chang Rinpoche with Khandro Déchen, Aro Books, 1997.
The Buddhism of Tibet and the Key to the Middle Way, Tenzin Gyatso, George Allen & Unwin.
The Graduated Path to Liberation, Geshe Rabten, Mahayana Publications.
The Significance of the Four Noble Truths, V. F. Gunaratne, Buddhist Publication Society.
The Four Noble Truths, Francis Story, Buddhist Publication Society.
Basic Buddhism, Christmas Humphreys, Buddhist Society Publication.
Certainty, Confidence und Kindness Mind waren limitierte Auflagen von Broschüren, die nicht mehr erhältich sind. Ihr Inhalt wird in erweiterter und überarbeiteter Form als Teil eines Buches über das Ulukha-mukha Upadesha Dakini Sutra zusammen mit den Kapiteln über den Chörten aus Rainbow of the Liberated Energy erscheinen. Rainbow of the Liberated Energy und Journey into Vastness sind vergriffen. Rainbow of Liberated Energy wurde überarbeitet und in erweiterter Form neu geschrieben und ist bei Aro Books unter dem Titel Spectrum of Ecstasy publiziert worden. Journey into Vastness wurde ebenfalls neu geschrieben und erweitert, die Publikation unter dem Titel Roaring Silence durch Aro Books ist geplant.