Dieser Ngakpa wurde während der „Luftbestattungsriten“ fotografiert. Es war für gÇodpas und gÇodmas üblich, Luftbestattungsriten an Orten auszuführen, wo es keine Ragyapa (Beseitiger der Toten) gab. Eine Luftbestattung bestand darin, den Leichnam zu zerteilen, damit er leicht von den Geiern gefressen werden konnte, die dann den Körper in den Himmel tragen würden. Dies wurde als ein letzter Akt der Großzügigkeit gesehen. Derartige Bestattungen waren oft die Quelle von Schädelschalen und Oberschenkelknochentrompeten, die in Vajrayanaritualen benutzt werden. Sogar die höchsten Lamas führten diesen Dienst aus, wenn sie als Chöd-Praktizierende umherreisten.
Ralzhig Pema Legden:
Kyabjé Chhi’mèd Rigdzin Rinpoche erzählt eine Geschichte aus einer Zeit, als er eine Weile auf einem Leichenfeld gelebt hat. Er war damit beschäftigt, eine Schale aus der Decke eines Schädels, den er gefunden hatte, zu machen, als er zufällig bemerkte, dass die Zähne noch in sehr gutem Zustand waren. Kyabjé Chhi’mèd Rigdzin Rinpoche berichtete, dass ihm seit einiger Zeit ein Zahn fehlte und der Schädel stellte einen Ersatz zur Verfügung, der jahrelang hielt. Er wusch ihn einfach sauber und steckte ihn als eine Art Brücke in die Zahnlücke.
Ngak’chang Rinpoche kommentierte diese Geschichte:
Diese nüchterne Annäherung an das Leben – als Kontinuum von Geburt und Tod in jedem Moment – ist charakteristisch für die tantrische Verwirklichung. Es ist nichts Morbides oder Makaberes an diesen Vorgängen, wenn man die eigene neurotische Angst vor dem Tod überwunden hat. g’Codpas und g’Codmas praktizieren, um die Wurzel der Anhaftung an Form als eine Definition des Seins zu durchtrennen. Aus diesem Grund machen sie sich mit dem Tod und den Umständen des Todes vertraut.